Rede von Manuela Kuban


Manuela Kuban während der Gedenkfeier in Rüdersdorf © Privatarchiv 2003

Dokumentation der Rede von Manuela Kuban (Vorsitzende des märkischen Frauenvereins und Vorsitzende des Schulfördervereins Rüdersdorf), die sie während der Gedenkfeier für Johanna Elberskirchen und Hildegard Moniac am 23. August 2003 auf dem Friedhof Rudolf-Breitscheid-Straße in Rüdersdorf gehalten hat:


Unser Erinnerungsvermögen ist begrenzt, Erinnerungen verblassen, wir verlieren sie.


Immer schon haben sich Menschen Ereignisse und Erlebnisse von früher erzählt, haben Vergangenes festgehalten, durch Lieder, Geschichten und Gedichte, durch Bilder und Denkmäler, Menschen haben Bauten erhalten, Architekturen geschützt, Bibliotheken geschaffen, Museen und Tempel, sie haben Friedhöfe angelegt, um ihrer Ahnen zu gedenken und Menschen haben bewusst geforscht nach der Vergangenheit, gesucht und gearbeitet, um in die Gegenwart zu holen, was war.


Wir tun das, weil wir spüren, dass unser Leben in der Gegenwart eingebettet ist in einen Prozess, dessen Faden in der Vergangenheit begann und eigentlich unvorstellbar in eine wie auch immer geartete Zukunft läuft.


Die Bedingungen heutiger Existenz sind das Resultat des Lebens der Menschen vor uns. In diesem Wissen um unser Dasein als ein Zeitliches, im Begreifen einer Lebensperspektive als Übergang von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft gedenken wir heute Hildegard Moniac und Johanna Elberskirchen, zweier Frauen, die ihr Leben unter anderem hier in Rüdersdorf aktiv gestalteten, die beide auf ihrem individuell gesuchten Weg vorangingen und Spuren hinterließen, Spuren, die uns wissen lassen, dass sie beide die Herausforderungen ihrer Zeit annahmen und sich den persönlichen, beruflichen, politischen und wissenschaftlichen Aufgaben stellten, welche die damalige gesellschaftliche Situation hervorbrachte.


Beide verfolgten ihre berufliche Perspektive brillant und beide, das ist wichtig, lebten in auch intoleranter Zeit ihr individuelles Glück als homosexuelles Paar.


Die Politisierung der Sexualität im Zusammenhang mit feministischer Analyse war ein Meilenstein in der Geschichte der Frauenbewegung.


Johanna Elberskirchen thematisierte offen und aktiv diese Themen zu einer Zeit, in der Frauen gerade begannen, sich aus der ausschließlich männlichen Betrachtungsweise zu lösen und ein eigenes Bild von Frau als gesellschaftliche Akteurin zu suchen, zu gestalten und zu fordern.


Ich denke, dieser Prozess der Emanzipation dauert an, trotz steigender Teilhabe von Frauen auf vielen gesellschaftlichen Ebenen. Er dauert vor allem an, dicht bei und in den Beziehungen der Menschen. Dieser Prozess wird immer wieder hervorgebracht und entsteht ständig neu aus der vorherrschenden Richtung der gesellschaftlichen und technologischen Entwicklung heraus, die sich in ihrem Ausgangspunkt nicht wirklich unterscheidet von früheren gesellschaftlichen Fundamenten.


Vielleicht können Frauen und Männer sich erst dann emanzipieren, wenn an der Sicht auf den Lebenssinn gerüttelt wird, wenn sie sich auf einer freien Ebene der Menschlichkeit bewegen können. Dazu bedarf es der Beseitigung von Armut, dazu bedarf es sozialer und gesellschaftlicher Stabilität, Bildung, Kultur und immer und vor allem Frieden.


Bis dahin müssen Frauen wachsam sein:


Nawal El Saadawi, ägyptische Frauenrechtlerin, Politikerin und Wissenschaftlerin schätzt ein:


„Zum gegenwärtigen Zeitpunkt erleiden Frauen einen enormen Rückschlag und büßen viele ihrer Rechte ein, die sie im Laufe eines langen und harten Kampfes mühsam errungen haben.


... in den meisten Ländern gehören arme Frauen zu den ersten Opfern ökonomischer und militärischer Krisen....“


Weil das so ist und wir es wissen, können wir uns vielleicht Kraft und Ideen, Besinnung, Orientierung und Motivation holen bei Frauen, die diesen Kampf begonnen haben. Und wenn wir uns als Nachfahrinnen dieser und anderer humaner Denkerinnen und Denker begreifen, können wir die Gegenwart besser einschätzen und in eine menschliche Zukunft in Ost Süd West und Nord investieren.



© Manuela Kuban (Rüdersdorf bei Berlin 2003)