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Johanna Elberskirchen (1864-1943) |
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Johanna Elberskirchen ist eine der wohl außergewöhnlichsten und dennoch fast vergessenen Figuren der deutsch(sprachig)en politischen Lesbengeschichte. |
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Sie wurde am 11. April 1864 in Bonn geboren. Zunächst als Buchhalterin in Rinteln in Westfalen (heute Niedersachsen) tätig, studierte sie, wie viele Frauen, denen nicht nur in Deutschland der Zugang zu den Universitäten verwehrt wurde, ab 1891 in der Schweiz: zunächst Medizin in Bern und später Jura in Zürich. Nach ihrer Rückkehr lebte sie vorwiegend in Bonn und von 1915 bis 1919 in Berlin, wo sie in der Säuglingsfürsorge arbeitete. 1920 zog sie mit ihrer Lebensgefährtin Hildegard Moniac (1891-1967) nach Rüdersdorf bei Berlin und eröffnete in ihrem gemeinsam gekauften Haus in der Luisenstraße 32 (heutige Rudolf-Breitscheid-Straße 57) eine Praxis für homöopathische Heilbehandlungen, die sie bis zu ihrem Tod führte - trotz Berufseinschränkungen durch die Nazis. Johanna Elberskirchen erlangte überregionale und internationale Bedeutung zur damaligen Zeit als politische Aktivistin, Rednerin, Schriftstellerin. Sie publizierte und engagierte sich für viele feministische Themen: Wahlrecht, geschlechtsspezifische Erziehung und Bildung, Frauenstudium, Gewalt gegen Mädchen und Frauen, Mutterschaft und Kinderheilkunde. Sexualreformerisch und sexualwissenschaftlich setzte sie sich intensiv mit Ehe, Prostitution, Heterosexualität und Homosexualität auseinander. Insgesamt sind neben zahlreichen Aufsätzen und Zeitungsartikeln bis 1933 mindestens ein Dutzend Bücher in mehreren Auflagen von ihr erschienen - anfänglich unter dem Pseudonym Hans Carolan; außerdem gab sie eine Zeitschrift und einen Kalender heraus. Johanna Elberskirchen war seit 1914 eine der wenigen aktiven Frauen, in der u. a. von Magnus Hirschfeld (1868-1935) gegründeten wissenschaftspolitischen Vereinigung Wissenschaftlich-humänitäres Komitee (WhK). Ende der zwanziger Jahre referierte sie für die Weltliga für Sexualreform. Ausgewiesen „rassenhygienische‚ Überlegungen waren ihr politisch fremd, sie schwamm aber durchaus mit dem eugenischen Zeitgeist. Als aktive Feministin und offen lesbische Frau war sie eine außergewöhnliche Brückenfigur zwischen Homosexuellenbewegung und dem radikalen Flügel der Alten Frauenbewegung. Als engagierte Sozialdemokratin arbeitete sie in Bonn mit den Schwerpunkten Arbeitsschutz und Bildung der proletarischen Jugend. Regelmäßig besuchte sie in Rüdersdorf die Parteiversammlungen, und es soll keine gegeben haben, in der sie sich nicht zu Wort meldete, insbesondere um über „Frauenfragen‚ zu sprechen. Johanna Elberskirchen starb am 17. Mai 1943 im Alter von 79 Jahren in Rüdersdorf bei Berlin. Bis zu ihrem Tod lebte sie mit zwei ihrer Schwestern, Ida und Laura und ihrer Freundin im Haus in der Luisenstraße. Die kleine schwarze Elberskirchensche Urne wurde im Juni 1975 heimlich von zwei Frauen in der Grabstätte ihrer Lebensgefährtin Hildegard Moniac auf dem Friedhof Rudolf-Breitscheidstraße in Rüdersdorf bei Berlin beigesetzt. Am 5. Dezember 2002 beschloss die Gemeindevertretung Rüdersdorf bei Berlin einstimmig, das Grab von Hildegard Moniac/Johanna Elberskirchen auf dem Friedhof Rudolf-Breitscheid-Straße unter Schutz zu stellen.
Christiane Leidinger (Berlin 2004) Neue Forschung: _„Frauen erkämpfen Winterhilfe“?! _Johanna Elberskirchen, ihr politisches Netzwerk im Bonn-Kölner Raum und die Idee einer Frauenfriedensdemonstration zu Beginn des Jahres 1913 (Bonn 2015) _"Johanna Elberskirchen - Aktivistin und Theoretikerin zur Emanzipation von Frauen und Homosexuellen"
Buchbesprechung sowie Interviewausschnitten mit der Autorin Christiane Leidinger und Zitaten von Johanna Elberskirchen in drei zusammenhörigen Teilen - ein Audio-Beitrag von Michaela Baetz von Radio Z (Nürnberg) zum Anhören oder Download (Produktionsdatum 4.11.2008): Allgemeine Literatur Zitiervorschlag: |