Rede von Norbert Oellers


Norbert Oellers während seiner Rede am 9. April 2006 in Bonn © Heike Janes


Dokumentation der Rede von Prof. Dr. Norbert Oellers, die er während der Gedenktafeleinweihung für Johanna Elberskirchen am 9. April 2006 in der Bonner Sternstraße 37 gehalten hat:


Meine sehr verehrten Damen und Herren,


ich danke Frau Boxhammer dafür, dass Sie mich eingeladen hat, an dieser Eröffnungsfeier teilzunehmen und etwas zu sagen, obwohl ich nicht viel sagen kann.


Ihr Vorschlag war, dass ich berichte über den Grund meines Engagements für Johanna Elberskirchen vor etwa 15 Jahren.


Ich will das kurz erzählen, aber den wichtigeren Vorträgen, die nach mir kommen, nicht so viele Minuten wegnehmen.


Ende der achtziger Jahre war es wohl, dass ich in einem Lexikon aus dem Jahr 1888, "Deutsche Frauen der Feder" von Sophie Pataky, zum ersten Mal auf den Namen Johanna Elberskirchen stieß – also mehr oder weniger zufällig. Das Interesse an ihr wurde dadurch geweckt, dass sie a) aus Bonn stammte (wo ich seit einigen Jahrzehnten lebe) und b), als offensichtlich Sozialdemokratin meiner Partei angehörte. Dass sie darüber hinaus noch außerordentliche Verdienste auf den Feldern, von denen hier die Rede war, hatte, erfuhr ich andeutungsweise durch die ersten biografischen und bibliografischen Angaben im Lexikon. Die ersten Schriften von Johanna Elberskirchen, "Die Prostitution der Männer" und "Sozialdemokratie und sexuelle Anarchie" erweckten natürlich mein Interesse.


Als ich dann 1991 aufgefordert wurde, einen Beitrag zur Festschrift von Dietrich Höroldt, dem damaligen Chef des Stadtarchivs, zu leisten, erinnerte ich mich an meinen Fund, an das, was ich gesehen hatte und beschloss nun, im Stadtarchiv nach ihr zu suchen.


Bevor ich da die Daten, die Bonn betreffen, herausbekam – dass sie hier geboren ist (1864) und 20 Jahre hier blieb und dann wegging nach Rinteln – hatte ich bereits aus dem genannten Lexikon erfahren, auch schnell herausbekommen, dass sie in der Schweiz studierte. Dem bin ich nachgegangen, habe dann erfahren, dass sie sieben Semester Medizin in Bern studiert hat, von 1891–96. Was sie außerdem da getan hat, weiß ich nicht. Ferner erfuhr ich, dass sie anschließend noch drei Semester Jura in Zürich studiert hat, dass sie dann im Tessin lebte – warum und mit welchem Ziel, weiß ich bis heute nicht (das weiß aber sicherlich die bessere Kennerin) – und schließlich 1901 nach Bonn zurückkehrte, und so weiter.


Ich erfuhr dieses alles durch eine rege Korrespondenz, die ich vor allem mit den sehr freundlichen Schweizer Behörden geführt habe. Diese Korrespondenz wurde mir ganz wesentlich erleichtert durch meine damalige Mitarbeiterin Frau Ulrike Brandt-Schwarze, die auch hier ist – ich freue mich sehr – und die zum Teil diese Korrespondenz geführt hat.


Die biografischen Daten, die ich so langsam zusammen brachte, sind bzw. waren damals höchst lückenhaft. Die Lücken sind zum großen Teil heute aufgefüllt worden.


Kürschners Literaturlexikon hat Johanna Elberskirchen bis 1934 verzeichnet. Meine damalige Vermutung, dass Frau Elberskirchen, die 1915 von Bonn nach Berlin gegangen ist, 1920 von Berlin nach Rüdersdorf östlich von Berlin, 1934 ein Opfer der Zeitumstände wurde – als Sozialdemokratin, als Lesbierin, als Frauenrechtlerin – diese seinerzeit in meinem Aufsatz von 1992 geäußerte Vermutung ist unzutreffend, wie wir inzwischen genauer wissen. Sie ist 1943 in Rüdersdorf gestorben.


Nach den biografischen Recherchen habe ich mich dann mit den Schriften von Johanna Elberskirchen beschäftigt, und in dem Aufsatz für Herrn Höroldt habe ich versucht, das zu beschreiben, was ich in diesen höchst interessanten und wichtigen, weniger belletristischen als politischen, feministischen Aufsätzen und selbstständigen Schriften gefunden habe.


Dies alles habe ich dann artig zusammengetragen, u. a. mit Hilfe von Frau Brandt-Schwarze und unter Zuhilfenahme von Wilfried Busemann. Busemann war ein Genosse hier in Bonn, von dem ich im Stadtarchiv erfuhr, dass er sich ebenfalls mit Frau Elberskirchen beschäftige. Wir kamen dann in Kontakt. Herr Busemann wollte eine Dissertation über Johanna Elberskirchen schreiben. Es ist, glaube ich, dazu nicht gekommen. Er hat aber mich und meine Arbeit sehr unterstützt durch Angabe von Daten, die er wusste und die mir unbekannt waren. Ihm sei sehr herzlich gedankt. Er befindet sich seit einiger Zeit im Saarland und konnte heute auch nicht herkommen.


Dies also ein kurzer Überblick über meine Bemühungen um Johanna Elberskirchen, die, wie gesagt, aus drei Gründen für mich interessant war: aus parteipolitischen Gründen, dann aus wissenschaftlichen Gründen und wegen ihrer feministischen frauenrechtlichen Anstrengungen und nicht zuletzt und vielleicht zuerst aus lokalpatriotischen Gründen. Frau Elberskirchen lebte auch ein Jahr in Mehlem, wo ich auch einmal lebte und so ergab sich der Kontakt, der dann mehr oder weniger intensiv wurde.


Ich freue mich, dass im letzten Jahrzehnt einige wissenschaftliche Arbeiten über Frau Elberskirchen geleistet worden ist.


Ich freue mich ganz besonders, dass wir heute hier die Gedenktafel einweihen können. Ich erinnere daran, dass ich 1992 mein Aufsätzchen – mehr ist es nicht – damit schloss, es wäre wohl an der Zeit, dass man Frau Johanna Elberskirchen in Bonn ehrte und vielleicht ein Gässchen nach ihr benennen würde. Dazu ist es nicht gekommen, aber immerhin haben wir nach 14 Jahren jetzt diese Gedenktafel. Darüber bin ich sehr froh. Ich danke allen, die dazu beigetragen haben, dies zu ermöglichen, und freue mich, dass wir uns nachher noch – wer das mag – ein wenig über Johanna Elberskirchen, die tapfere engagierte und mir, obwohl ich sie ja nicht sehr nahe kenne, ungemein sympathische Frau, unterhalten können.


Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.




© Norbert Oellers (Bonn 2006)